Phänomenologische und Soziale Psychiatrie
Präliminarien zu einem Dissertationsversuch
Daniel Wittig
Soziale Psychiatrie ist eines der originalen Projekte der Generation, welche wir kurz und knapp die „68er“ nennen.
Insofern schauen wir in diesem Buch auf 40 Jahre Soziale Psychiatrie zurück.
1975 war das Ziel der sozialpsychiatrischen Reformer von 68 erreicht: Die Psychiatrie-Enquete ist eine der großen Erfolgsgeschichten der „68er“ und bildet bis heute die Grundlage der Sozialen Psychiatrie.
Asmus Finzen, einer der 68er Reformer der Sozialen Psychiatrie, fragte auf einer der Feiern zu diesem Jubiläum: Wie soll das nun mit der Sozialen Psychiatrie weitergehen? Und er forderte „unsere Soziale Psychiatrie“, als ausgesprochen sozial-integrative und inklusive Soziale Psychiatrie auf, einen Perspektivenwechsel hin zur Subjektivität — im substanziellen Sinne — ihrer Betroffenen zu machen.
Das zentrale Anliegen dieses Buches ist es, diese Forderung eines unserer Altvorderen nach dem Verstehen des Subjekts in der Sozialen Psychiatrie auf substanzielle Weise zu begründen.
Das wollen wir, indem wir einerseits die Soziale Psychiatrie zum Subjekt hin öffnen im Anschluss an Ludwig Binswangers transzendental-phänomenologische Psychiatrie. Auf der Basis von Edmund Husserls transzendental-phänomenologischen Untersuchungen des Bewusstseins in seinem Spätwerk, werden hier wohl ausgesuchte Analysen Husserls zum Zeitbewusstsein und zur Lebenswelt vorgestellt. Mit diesen Analysen werden wir — anschließend an Binswanger — Melancholie und Formen der Schizophrenie versuchen zu verstehen.
Andererseits wollen wir die Transzendental-Phänomenologie zum Sozialen hin öffnen, indem wir die Intersubjektivität, und den inklusiven und sozial-integrativen Kern der Sozialen Psychiatrie nicht aufgeben. Sondern eben diese um die phänomenologische Psychiatrie erweitern und damit erneuern als: Phänomenologische und Soziale Psychiatrie.