Singularität im Plural
Kolonialismus, Holocaust und der zweite Historikerstreit
Meron Mendel
Die Schatten der deutschen Kolonialverbrechen und des Holocausts reichen bis in die Gegenwart. In welchem Verhältnis stehen die Erinnerungen an diese Ereignisse zueinander? Erleben wir aktuell eine Zunahme von Opferkonkurrenzen oder ergänzen sich die unterschiedlichen Erinnerungskulturen in Form einer „multidirektionalen Erinnerung“ (Michael Rothberg)? Und steht die These der Einzigartigkeit oder Präzedenzlosigkeit des Holocaust (Yehuda Bauer) im Wege, wenn es darum geht, andere Genozide, etwa während der Kolonialzeit, aufzuarbeiten?
Seit 2020 tobt im deutschen Feuilleton und in den Wissenschaften der „zweite Historikerstreit“. Gerungen wird dabei um die Einzigartigkeit und Vergleichbarkeit des Holocausts und die Bedeutung vom Kolonialismus für die Gegenwart. Dabei entbrennt der Streit weniger bei historischen Tatsachen, sondern den Fragen der Gegenwart. Insbesondere der Staat Israel und die „deutsche Staatsräson“ stehen hierbei oft im Zentrum der Debatten. Der Sammelband trägt Beiträge aus verschiedenen Disziplinen und internationalen Perspektiven zu den Diskussionen der Gegenwart zusammen und bietet damit ein breites Panorama und Einblicke in den Stand der Diskussionen.