Verfassung.
Zur Geschichte des Begriffs von der Antike bis zur Gegenwart. Zwei Studien.
Dieter Grimm, Heinz Mohnhaupt
Begriff und Bedeutung der Verfassung gewinnen durch die europäische Verfassungsdiskussion neue Aktualität. Es ist offenkundig, dass Verfassung in einem supranationalen Kontext nicht dasselbe bedeuten kann wie im Nationalstaat. Gleichzeitig zeigt sich aber, dass die Herausbildung überstaatlicher politischer Handlungseinheiten die nationale Verfassung nicht unberührt lässt. Überdies schärfen die nur zum Teil geglückten Verfassungsprojekte in den ehemals sozialistischen Ländern wie auch in anderen neu konstitutionalisierten Staaten das Bewusstsein für den Zusammenhang zwischen tatsächlicher und normativer Verfassung. Manche Fragen, die sich damit verbinden, sind nicht völlig neu. Sie haben sich vielmehr schon früher gestellt und sind nur durch den Siegeszug des modernen Konstitutionalismus im Verlauf des 20. Jahrhunderts in den Hintergrund getreten. Das gilt etwa für die Frage nach dem Sinn von Verfassung, bevor sich der moderne, auf den Nationalstaat bezogene Konstitutionalismus herausbildete, oder für die Frage nach der Abhängigkeit der normativen Verfassung von den tatsächlichen Zuständen und Machtverhältnissen eines Landes.
Eine Vergewisserung über die Wandlungsprozesse, die sich in der Geschichte des Verfassungsbegriffs widerspiegeln, verspricht daher auch Orientierungshilfen in der jetzigen Umbruchsituation. Gleichzeitig kann sie den Reichtum an Vorstellungen und Bezügen offenbaren, der sich mit dem historischen Begriff der Verfassung verbindet.
Aus dem Vorwort