Vertreibung aus dem Paradies
Eine Kindheit in Demmin
Karl Schlösser
Ich stand, umgeben von Leichen.
Um mich herum brannten Häuser. Stürzten in sich zusammen. Frauen schrien. Kinder …
In welche Zeit war ich hineingefallen? Ohne Vorbereitung. Ich dachte bisher, es gäbe nur das Traumland, aus dem ich kam: mein schwereloses Leben im großelterlichen Paradies …
Ich blättere in den Aufzeichnungen aus meiner Jugend. Hatte geglaubt, sie würden nicht mehr existieren, diese Erinnerungen.
Erschrocken schiebe ich sie beiseite. Warum soll ich noch einmal eintauchen in die Welt dieses Kindes? Was geschah, liegt ein dreiviertel Jahrhundert zurück. Es war eine Zeit, die mich geprägt hat wie keine andere.
Das wohl …
Ich ziehe die Aufzeichnungen wieder vor. Habe es plötzlich eilig.
Es trifft mich, was ich hier nach sechzig Jahren lese. Mir wird wieder der ungeheure Bruch in meinem kindlichen Leben bewusst, der mich als Zehnjähriger mit aller Wucht erfasste und aus der behüteten Bahn riss.
Noch heute empfinde ich meine frühe Kindheit als Paradies, aus dem ich so unvermittelt vertrieben wurde.
Plötzlich verspüre ich das unwiderstehliche Bedürfnis, mich zu erinnern, die Kinderjahre auferstehen zu lassen …