Wortwunde
Gedichte. Mit sechzehn Zeichnungen von Kaja Grabowicz
Kaja Grabowicz, Traian Pop, Christian W. Schenk
„Der Übergang zwischen Kulturen“
Der Dichter Christian W. Schenk, aus Boppard am Rhein (geboren in Kronstadt Rumänien) hat viele Gedichtbände verfasst, deutsche und rumänische, doch endgültig hat er sich mit den letzten beiden – „Testament und Elegien“ und die „Kreuzigung des letzten Wortes“ – durchgesetzt. Es folgten veröffentlichte Gedichte, Essays und Erinnerungen (unter anderem über sein Treffen mit dem rumänischen Dichter Tudor Arghezi oder mit den berühmten Maler Salvador Dali). Interviews in der Presse, Fernsehen und Rundfunk, sowie kritische Äußerungen von namhaften Kritikern vervollständigen sein Künstlerbild. Für ihn ist die Lyrik oberstes Gebot, und das Wort mit seinen vielen Valenzen die süße Qual auf der unendlichen Suche nach neuen Bildern und Wahrheiten. Seine Gedichte sind wie ein Beben unserer historischen Existenz, die die immerwährende Vielfalt des Humanismus mit neuen Attributen und Wahrheiten ergänzt. Die Gedichte sind gut ausgewogen, elegisch, mit metaphysischen Akzenten versehen, um besser das Schicksal unseres Jahrhunderts zu erfassen. Schenk verweigert, als Stil-
figur, den Lärm und die Grausamkeit in dieser Welt, um sie so besser und bissiger zu beschreiben:
Schicksal ist dein Versprechen
Hoffnung ist mein Vertrauen,
Wenn draußen vielen Flächen
Des Seins in uns abbauen.
Der Tag der heute endet
Beginnt erneut im Morgen
Und großzügig uns spendet
Immer die gleichen Sorgen… –
Also, der vielen Fragen
Mein Leben ist schon satt,
Denn gleich platzt mir der Kragen
Und wendet sich das Blatt…
oder plastischer:
[…] – Es ist nicht schön, es ist nicht zart;Das ist der faulige Gestank
Des Bösen in der Welt erstarrt
Gehässig, modernd, blass und krank… […]
Die Gedichte des zweisprachigen Autors Christian W. Schenk, der bereits mehrere Gedichtbände sowohl in rumänischer als auch in deutscher Sprache (nebst zahlreichen Übersetzungen) verfasst hat und mehrere Literaturpreise erhielt, bestechen durch ihre plastisch schildernde Metaphorik. Der Leser gerät unweigerlich in den Sog der düsteren und emotionsgeladenen Atmosphäre und begibt sich auf eine imaginäre Reise durch die lyrische Ideenwelt des Dichters. Gerade zu obsessiv wirkt darin die intensive Auseinandersetzung mit Tod und Meta-
physik. Gleichermaßen werden aktuelle Themen wie Ökologie, Rechtsradikalismus und Kosmopolitmus angesprochen, die den Gedichten eine realitätsbezogene Komponente verleihen und den Leser zum nachdenken anregen.
Ist Chaos, Mühsal, Anarchie
Wo kleine Geister und Obskuren
Gaukeln der Welten Harmonie. […] Wenn Christian W. Schenk über die Wortphantasmen spricht, vergisst er keineswegs, dass das Gedicht, in seinem Kern, die tiefe Meditation über das Sein und das Seiende in der Welt ist. Seine Sprachfeinheiten führen uns in unweigerlich zu Heidegger. Der Dichter fühlt sich als ein Herrscher des Raums, obwohl sein Glaube tief in der Mathematik der Worte verwurzelt ist. Selten trifft man noch in der heutigen Lyrik die Sparsamkeit der Laute, das Introvertierte und die Zügelung der Emotionen wie in seiner Dichtung:
Mondsüchtige Wellen
treiben
die Schifferboote
in die Klippen.
Die Sterne
schmelzen
sinkend
rauscherfüllt.
Wortschwarze Euter
warten
auf den Hirten.
Die besondere Begabung für Symbole und Metaphern, haben eine Ehrlichkeit im Ausdruck, die es dem Leser leicht macht ihm zu folgen. Diese Gedichte, unter dem Einfluss der deutschen Lyrik geschrieben, umschließen eine Ehrlichkeit, ohne übertrieben rhetorisch zu akzentuieren, eine Ehrlichkeit, wozu noch wenige den Mut aufbringen. Die Gedichte strahlen eher eine kontemplative bescheidene Einsamkeit aus, die perspektivisch die ganze Gesellschaft beleuchten!
Jemand, ich weiß nicht wer, fällt auf dem Boden
Blut überströmt, halb tot… ach, Straßenschlägerei –
Und wieso oft in alten Episoden
Die Masse stürzt sich auf das Opfer mit Geschrei…
Schenk ist von dem Glanz der Metapher besessen. Wie ich schon früher einmal über seine Dichtung sagte, gerinnt die Metamorphose des Wortes, jenseits jeder Konnotation, letztendlich zu Bildern und provoziert das in uns allen Unausgesprochene. Die bittere Ironie durchläuft ein feinmaschiges Netz, was typisch für das moderne Gedicht ist.
Er ist einer der Autoren, die wissen, dass für den Dichter die Beziehung zu den Dingen aus zwei wichtigen Komponenten besteht: die Entdeckung und der Abschied!
Christian W. Schenk ist anzusiedeln an der Wasserscheide zweier Kulturbereiche. Dass er eine wichtige Präsenz im literarisch-lyrischen Bereich darstellt, wird mit der Unterschrift von vielen bedeutenden Kritikern bezeugt: Eugen Simion, Ovid S. Crohmălniceanu, Marin Mincu, Dumitru Micu, Gheorghe Bulgăr, Emil Manu, Klaus Heitman, Claudia Schiffer oder letztendlich Joachim Witstock. Als Elegiendichter hat er sein Handwerk von den großen Meistern dieses Jahrhunderts gründlich gelernt, und es ist ihm gelungen, die Lyrik mit seiner eigenen Note zu versehen.
Gefühlvoll und gleichzeitig sachlich beben in Schenk die tiefen Dramen der so genannten zivilisierten Welt, herüber gebracht aus den Zeiten der menschlichen Anfänge. Es existiert auch hier eine erdrückende Atmosphäre, ein Universum des Welkens, denn es gibt einen Phoenix und einen Pegasus, damit – metaphorisch – beide wie ein Leitmotiv in seinen Gedichten erscheinen und den ständig lauernden Gefahren entgegengesetzt wirken sollen.
Alptraumgedankenschüsse
trauern
bleizerkaute Nächte
strömen nackt
auf Nacken
die Ewigkeit
hat breite Schultern.
Christian W. Schenk ist ein Autor, für den die Mallarmé’sche Chimäre in einem Buch Platz findet, einem Buch, das nicht nur lebendig ist, sondern dessen Dasein auch durch das Prestige und die wundervolle Kraft der Wörter berechtigt ist.
Warum ist die Präsenz des Dichters, über den wir sprechen, in der Literatur so wichtig? Weil er die Gabe des wahren Dichters besitzt, weil er ein Heideggerianer ist und weil seine Lyrik einen besonderen ästhetischen Wert aufweist:
Verschlagen in die Wüste
meiner Wurzeln
streife den Sand
und zähle sanft die Körner
ich bin der Stein
auf den die Dünen bauen
die ruhelosen
neue Kathedralen
Katharina Kunze