Prežihov Voranc, ps. für Lovro Kuhar, 1893 in Kotlje bei Ravne im slowenischen Kärnten geboren und 1950 in Maribor gestorben, ist eine Art moderner slowenischer Cervantes. Er hält an sei-nem bäuerlich-kommunistischen Mikrokosmos fest, ohne die Tatsachen der globalen Welt zu verdrängen, deren bittere und hässliche Seiten er als Sozialpolitiker und Ausschussmitglied der Komintern hautnah erlebte. Der Pächtersohn und Autodidakt ist mit kaum 18 Jahren von zu Hause aufgebrochen, zuerst in die engere Umgebung, nach Görz und Klagenfurt, später als Ge-werbeschüler nach Ljubljana und Wien, ohne zu ahnen, dass er kurz darauf, als 22-jähriger, in den Schützengräben der Isonzofront landen würde. In seinem Roman „Doberdob“ hat er den Krieg und insbesondere die Kampfzone an der Soča (Isonzo) zwischen Triest und Gorizia/Gorica beschrieben. Vor diesem unmenschlichen Grauen ist er im Oktober 1916 zu den Italienern de-sertiert, wo er allerdings wiederum schikaniert und von einem Gefängnis zum anderen gezerrt wird, von Verona über die Abruzzen bis nach Sardinien und in die Puglia.
Nach Ende des 1. Weltkriegs, als er 1919 aheimkehrt, findet er nur mühsam in das Normalleben zurück, zumal seine Heimat strittiges Gebiet ist. Als Sekretär im Stahlwerk in Ravne, zwischen der Petzen und dem Pohorje-Massiv gelegen, erlebt er die prekäre Situation der Industriearbei-ter und wird, obwohl tief in der kleinbäuerlichen Vaterwelt verwurzelt, zu ihrem Sprecher. Sein Weg führt ihn in die Führungsriege der KP Sloweniens. Das bedeutet politische Verfolgung, zu-mal nach dem Staatsstreich vom 6. Jänner 1929, als man rigoros gegen Kritiker vorging. Im Sommer 1930 muss Lovro Kuhar, der sich nach dem mäßigen Erfolg seines Buches „Povesti“ (Geschichten) nicht mehr Lovro Kuhar nennt, sondern den Vulgonamen Prežihov Voranc (Lo-renz) annimmt, seine Heimat für lange Zeit verlassen. Er flieht ohne Papiere nach Österreich, lebt in Augsdorf bei Velden im Hause seiner Tante Marija Miglar, wird 1932 in Klagenfurt arre-tiert, bricht aus dem Gefängnis aus und setzt sich nach Wien ab, wo er als Sekretär und Schrift-leiter des internationalen Gewerkschaftsverbandes und des Roten Kreuzes arbeitet. Im Juni 1934, nachdem er die Niederschlagung des Arbeiteraufstandes in Wien miterlebte, übersiedelt er nach Paris, reist aber immer wieder nach Prag und Wien, wo er längere Zeit in Untersu-chungshaft verbringen muss) 1937 lässt er sich für länger in Paris nieder. Er betreut die aus Spanien zurückkehrenden republikanischen Freiheitskämpfer. In seinen Reiseberichten, die halb politische Reportagen, halb poetische Bestandsaufnahmen sind, hat er diese Aufenthalte wie auch seine Reisen nach Oslo, Athen, Sofia, Bukarest und Moskau, wohin er als Agrarfachmann eingeladen war, aus dem Blickwinkel eines Menschenfreundes und Weltverbesserers geschil-dert. 1939, als in Frankreich angesichts der Kriegsgefahr unhaltbare Zustände ausbrechen, kehrt er nach Jugoslawien zurück. Er wird von Freunden in Ljubljana und in Zagreb versteckt und setzt seine Arbeit fort. Er erwirbt er sich den Ruf eines charismatischen Autors, der dem psychologisch-grotesken Realismus verpflichtet ist. 1939/40 erscheinen seine wichtigsten Bü-cher, der Erzählband „Samorastniki“ (Wildwüchslinge), die Romane „Požganíca“ (Die Brandalm) und „Doberdob“. Seinen schönsten Roman, die „Jamníca-Trilogie“ hatte er bereits 1941 fertig-gestellt, konnte das Buch aber erst 1945 erscheinen lassen. Ab April 1941 war Prežihov Voranc neben Boris Kidrič eine der entscheidenden Persönlichkeiten im Widerstand gegen das Nazire-gime. 1943 wird er in Ljubljana von der italienischen Besatzung verhaftet und den Nazis über-geben, die ihn über das Lager Begunje ins KZ Sachsenhausen deportieren, wo sie ihn zur Kolla-boration drängen. Als er jede Kollaboration strikt ablehnt, wird er ins KZ Mauthausen gebracht, wo er nur mit Hilfe von Freunden überlebt. Er lebt auf seinem Hof, der Prežihovina, wird Abge-ordneter zur Verfassungsgebenden Vollversammlung für die Region Koroška, den slowenischen Teil Kärntens, und gibt zwischen 1945 bis 1950 zahlreiche Werke heraus, den Roman „Jamníca“, die Erzählbände „Borba na tujih tleh“ (Überlebenskampf auf fremdem Boden) und „Od Kotelj do Belih vod“ (Von Kotlje bis zu den Weißen Wassern). 1949 erscheint das Büchlein „Solzice“ (Mari-entränen/Maiglöckchen), ein Band mit elf autobiografischen Kurzgeschichten, die zu den Meis-terwerken dieses Genres gehören. Prežihov Voranc stirbt im Februar 1950 an den Spätfolgen des Krieges.