Eine Studie über die Austauschbeziehungen von Wahnsinn und Literatur.Dichter und Psychiater ähneln sich in ihren Verfahrensweisen: Sie schreiben auf, streichen durch, überarbeiten und fixieren, was zum gedruckten Text werden soll. So entstehen wesentliche Aspekte der psychischen Krankheit auch unter den besonderen Bedingungen von Schriftlichkeit, d. h. in einem konkreten Schreib- und Aufzeichnungsraum.Aus einer wissensgeschichtlichen Perspektive untersucht Yvonne Wübben, wie literarische Werke und briefliche Zeugnisse im 19. und frühen 20. Jahrhundert für die Diagnose von psychischen Krankheiten herangezogen werden. Die Anfänge einer solchen Sprachdiagnostik liegen bei dem vergleichsweise unbekannten Karl Ludwig Kahlbaum, der die Sprache seiner Patienten unter formalen und linguistischen Aspekten analysiert. In seiner Heidelberger Klinik erweitert und systematisiert Emil Kraepelin dieses Verfahren. Seine diagnostische Praxis bietet Aufschlüsse über die ästhetischen und zunehmend auch linguistischen Sprachnormen der Psychiatrie des späten 19. Jahrhunderts. Der Schweizer Psychiater Eugen Bleuler, der erstmals die Krankheitskategorie ›Schizophrenie‹ einführt, setzt diese Ansätze fort. Dabei wird Literatur konstitutiv für die psychiatrische Diagnostik: Denn literarische Texte machen in einer spezifischen Konstellation etwas evident, das vorher nicht wahrgenommen wurde. Zugleich gerät die Diagnostik in ein Spannungsverhältnis zur literarischen Moderne, die ihrerseits vom allgemeinen psychiatrischen Interesse der Zeit profitiert.Die Autorin fragt nicht nur nach den literarischen Strategien psychiatrischer Erzähltexte und psychiatrischen Gattungen, sondern nach den Schnittflächen zwischen Psychiatrie und Literatur, etwa nach dem Wechselverhältnis von narrativer Struktur und Nosologie oder von Philologie und Pathographie.
Aktualisiert: 2023-06-30
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Eine Studie über die Austauschbeziehungen von Wahnsinn und Literatur.Dichter und Psychiater ähneln sich in ihren Verfahrensweisen: Sie schreiben auf, streichen durch, überarbeiten und fixieren, was zum gedruckten Text werden soll. So entstehen wesentliche Aspekte der psychischen Krankheit auch unter den besonderen Bedingungen von Schriftlichkeit, d. h. in einem konkreten Schreib- und Aufzeichnungsraum.Aus einer wissensgeschichtlichen Perspektive untersucht Yvonne Wübben, wie literarische Werke und briefliche Zeugnisse im 19. und frühen 20. Jahrhundert für die Diagnose von psychischen Krankheiten herangezogen werden. Die Anfänge einer solchen Sprachdiagnostik liegen bei dem vergleichsweise unbekannten Karl Ludwig Kahlbaum, der die Sprache seiner Patienten unter formalen und linguistischen Aspekten analysiert. In seiner Heidelberger Klinik erweitert und systematisiert Emil Kraepelin dieses Verfahren. Seine diagnostische Praxis bietet Aufschlüsse über die ästhetischen und zunehmend auch linguistischen Sprachnormen der Psychiatrie des späten 19. Jahrhunderts. Der Schweizer Psychiater Eugen Bleuler, der erstmals die Krankheitskategorie ›Schizophrenie‹ einführt, setzt diese Ansätze fort. Dabei wird Literatur konstitutiv für die psychiatrische Diagnostik: Denn literarische Texte machen in einer spezifischen Konstellation etwas evident, das vorher nicht wahrgenommen wurde. Zugleich gerät die Diagnostik in ein Spannungsverhältnis zur literarischen Moderne, die ihrerseits vom allgemeinen psychiatrischen Interesse der Zeit profitiert.Die Autorin fragt nicht nur nach den literarischen Strategien psychiatrischer Erzähltexte und psychiatrischen Gattungen, sondern nach den Schnittflächen zwischen Psychiatrie und Literatur, etwa nach dem Wechselverhältnis von narrativer Struktur und Nosologie oder von Philologie und Pathographie.
Aktualisiert: 2023-06-30
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»Verallgemeinernde und zeitlose Diskurse zur Ethik der Bilder sind nutzlos, wenn sie zu der Vorstellung führen, daß nach einem absoluten Kriterium »alles gesehen« und »alles erwogen« worden ist.«
Wie überlebt man das Überleben? Georges Didi-Hubermans Essays umkreisen die Orte der Shoah und rühren an das Trauma der Moderne. Sie schreiten die Grenzen des Sag- und Vorstellbaren ab und fragen nach den Möglichkeiten der Erinnerung. Wo die wissenschaftlich-analytische Aufbereitung der Fakten Gefahr läuft, das Erleben der Opfer und die Ereignisse selbst zum Verschwinden zu bringen, formt der Künstler Zeit-Räume, die zuvor undenkbar und unmöglich waren.
Einer Musealisierung der Orte der Shoah stellt Sehen versuchen am Beispiel von Imre Kertész, Claude Lanzmann und Mirosław Balka die literarische und ästhetische Überlieferung entgegen, deren lebendiges Gedächtnis eine hartnäckige Zumutung bleibt.
Aktualisiert: 2023-06-30
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»Verallgemeinernde und zeitlose Diskurse zur Ethik der Bilder sind nutzlos, wenn sie zu der Vorstellung führen, daß nach einem absoluten Kriterium »alles gesehen« und »alles erwogen« worden ist.«
Wie überlebt man das Überleben? Georges Didi-Hubermans Essays umkreisen die Orte der Shoah und rühren an das Trauma der Moderne. Sie schreiten die Grenzen des Sag- und Vorstellbaren ab und fragen nach den Möglichkeiten der Erinnerung. Wo die wissenschaftlich-analytische Aufbereitung der Fakten Gefahr läuft, das Erleben der Opfer und die Ereignisse selbst zum Verschwinden zu bringen, formt der Künstler Zeit-Räume, die zuvor undenkbar und unmöglich waren.
Einer Musealisierung der Orte der Shoah stellt Sehen versuchen am Beispiel von Imre Kertész, Claude Lanzmann und Mirosław Balka die literarische und ästhetische Überlieferung entgegen, deren lebendiges Gedächtnis eine hartnäckige Zumutung bleibt.
Aktualisiert: 2023-06-30
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»Verallgemeinernde und zeitlose Diskurse zur Ethik der Bilder sind nutzlos, wenn sie zu der Vorstellung führen, daß nach einem absoluten Kriterium »alles gesehen« und »alles erwogen« worden ist.«
Wie überlebt man das Überleben? Georges Didi-Hubermans Essays umkreisen die Orte der Shoah und rühren an das Trauma der Moderne. Sie schreiten die Grenzen des Sag- und Vorstellbaren ab und fragen nach den Möglichkeiten der Erinnerung. Wo die wissenschaftlich-analytische Aufbereitung der Fakten Gefahr läuft, das Erleben der Opfer und die Ereignisse selbst zum Verschwinden zu bringen, formt der Künstler Zeit-Räume, die zuvor undenkbar und unmöglich waren.
Einer Musealisierung der Orte der Shoah stellt Sehen versuchen am Beispiel von Imre Kertész, Claude Lanzmann und Mirosław Balka die literarische und ästhetische Überlieferung entgegen, deren lebendiges Gedächtnis eine hartnäckige Zumutung bleibt.
Aktualisiert: 2023-06-30
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»Die Geburt der Trauer« zeichnet Hegels Reaktion auf den Terror der Französischen Revolution und ihre strukturbildende Kraft für sein Denken nach.
Wie viele seiner Zeitgenossen war Hegel beeindruckt von der scheinbaren Parallele zwischen der politischen Revolution in Frankreich und den Umbrüchen in der deutschen Philosophie, die durch die protestantische Reformation eingeleitet und durch den deutschen Idealismus zu einem Höhepunkt gebracht wurden. Zahlreiche Denker argumentierten, dass eine politische Revolution in Deutschland überflüssig sei, weil diese intellektuelle »Revolution« sie vorweggenommen habe. Auch Hegels Überlegungen gehen in eine ähnliche Richtung, doch sie bieten zugleich eine überzeugende Analyse des Prozesses, in dem solche Geschichten hervorgebracht und übernommen werden. Das macht ihn unter seinen Zeitgenossen einzigartig: Er zeigt, wie eine Phantasie zugleich dekonstruiert und doch genossen werden kann.
Rebecca Comay bietet eine neue Lesart von Hegel im Lichte zeitgenössischer Theorien historischer Traumata. Anders als bei Joachim Ritter oder Jürgen Habermas erscheint Hegels Denken hier nicht als souverän und aus der Distanz über die geschichtlichen Ereignisse in Frankreich urteilend, sondern umgekehrt die Revolution als strukturbildend für sein Denken. Das Buch untersucht, wie traumatische historische Ereignisse indirekt erlebt werden und welcher Phantasien wir uns bedienen, um ihnen Bedeutung zu verleihen. Comay verbindet Hegel so mit den dringlichsten gegenwärtigen Diskussionen um Katastrophe, Revolution, Zeugenschaft und Erinnerung.
Aktualisiert: 2023-06-30
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»Die Geburt der Trauer« zeichnet Hegels Reaktion auf den Terror der Französischen Revolution und ihre strukturbildende Kraft für sein Denken nach.
Wie viele seiner Zeitgenossen war Hegel beeindruckt von der scheinbaren Parallele zwischen der politischen Revolution in Frankreich und den Umbrüchen in der deutschen Philosophie, die durch die protestantische Reformation eingeleitet und durch den deutschen Idealismus zu einem Höhepunkt gebracht wurden. Zahlreiche Denker argumentierten, dass eine politische Revolution in Deutschland überflüssig sei, weil diese intellektuelle »Revolution« sie vorweggenommen habe. Auch Hegels Überlegungen gehen in eine ähnliche Richtung, doch sie bieten zugleich eine überzeugende Analyse des Prozesses, in dem solche Geschichten hervorgebracht und übernommen werden. Das macht ihn unter seinen Zeitgenossen einzigartig: Er zeigt, wie eine Phantasie zugleich dekonstruiert und doch genossen werden kann.
Rebecca Comay bietet eine neue Lesart von Hegel im Lichte zeitgenössischer Theorien historischer Traumata. Anders als bei Joachim Ritter oder Jürgen Habermas erscheint Hegels Denken hier nicht als souverän und aus der Distanz über die geschichtlichen Ereignisse in Frankreich urteilend, sondern umgekehrt die Revolution als strukturbildend für sein Denken. Das Buch untersucht, wie traumatische historische Ereignisse indirekt erlebt werden und welcher Phantasien wir uns bedienen, um ihnen Bedeutung zu verleihen. Comay verbindet Hegel so mit den dringlichsten gegenwärtigen Diskussionen um Katastrophe, Revolution, Zeugenschaft und Erinnerung.
Aktualisiert: 2023-06-30
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»Die Geburt der Trauer« zeichnet Hegels Reaktion auf den Terror der Französischen Revolution und ihre strukturbildende Kraft für sein Denken nach.
Wie viele seiner Zeitgenossen war Hegel beeindruckt von der scheinbaren Parallele zwischen der politischen Revolution in Frankreich und den Umbrüchen in der deutschen Philosophie, die durch die protestantische Reformation eingeleitet und durch den deutschen Idealismus zu einem Höhepunkt gebracht wurden. Zahlreiche Denker argumentierten, dass eine politische Revolution in Deutschland überflüssig sei, weil diese intellektuelle »Revolution« sie vorweggenommen habe. Auch Hegels Überlegungen gehen in eine ähnliche Richtung, doch sie bieten zugleich eine überzeugende Analyse des Prozesses, in dem solche Geschichten hervorgebracht und übernommen werden. Das macht ihn unter seinen Zeitgenossen einzigartig: Er zeigt, wie eine Phantasie zugleich dekonstruiert und doch genossen werden kann.
Rebecca Comay bietet eine neue Lesart von Hegel im Lichte zeitgenössischer Theorien historischer Traumata. Anders als bei Joachim Ritter oder Jürgen Habermas erscheint Hegels Denken hier nicht als souverän und aus der Distanz über die geschichtlichen Ereignisse in Frankreich urteilend, sondern umgekehrt die Revolution als strukturbildend für sein Denken. Das Buch untersucht, wie traumatische historische Ereignisse indirekt erlebt werden und welcher Phantasien wir uns bedienen, um ihnen Bedeutung zu verleihen. Comay verbindet Hegel so mit den dringlichsten gegenwärtigen Diskussionen um Katastrophe, Revolution, Zeugenschaft und Erinnerung.
Aktualisiert: 2023-06-30
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Während »die Differenz« in den Theoriedebatten des 20. Jahrhunderts Schule machte, versammelte die Geschichte der Ähnlichkeit, von der unser Erkennen und Urteilen abhängt, nur wenige Anhänger um sich und war selten Ausgangspunkt kulturtheoretischer Diskussionen. Dabei ordnen wir die Welt, die Dinge, Farben, Töne und Erinnerungen, Gesichter und Geschichten, indem wir Ähnlichkeiten und Unähnlichkeiten wahrnehmen und bewerten. Und ohne die Fähigkeit, etwas oder jemanden zu imitieren und nachzuahmen, erlernen wir weder eine Sprache noch Klavierspielen, weder Radfahren noch Seilspringen. Wiedererkennen, Zuordnen und Urteilen sind grundlegende Fähigkeiten, mit denen wir uns im Alltag orientieren. Ins Ungefähre führt auf das Gebiet des theoretisch wie praktisch anschlussfähigen Konzepts der Ähnlichkeit, das in der Moderne zwar immer wieder thematisiert, dann aber doch folgenreich übergangen wurde. Werden Ähnlichkeiten zugunsten von Differenzen und Oppositionen übersehen, so ist dies nicht nur ein erkenntnistheoretisches, sondern vor allem ein politisches Problem. Die Gleichheit vor dem Gesetz und die Ähnlichkeit der Kulturen ergänzen sich und machen deutlich, dass radikale Alterität keine Gegebenheit, sondern eine Frage der Perspektive ist.
Aktualisiert: 2023-06-30
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Während »die Differenz« in den Theoriedebatten des 20. Jahrhunderts Schule machte, versammelte die Geschichte der Ähnlichkeit, von der unser Erkennen und Urteilen abhängt, nur wenige Anhänger um sich und war selten Ausgangspunkt kulturtheoretischer Diskussionen. Dabei ordnen wir die Welt, die Dinge, Farben, Töne und Erinnerungen, Gesichter und Geschichten, indem wir Ähnlichkeiten und Unähnlichkeiten wahrnehmen und bewerten. Und ohne die Fähigkeit, etwas oder jemanden zu imitieren und nachzuahmen, erlernen wir weder eine Sprache noch Klavierspielen, weder Radfahren noch Seilspringen. Wiedererkennen, Zuordnen und Urteilen sind grundlegende Fähigkeiten, mit denen wir uns im Alltag orientieren. Ins Ungefähre führt auf das Gebiet des theoretisch wie praktisch anschlussfähigen Konzepts der Ähnlichkeit, das in der Moderne zwar immer wieder thematisiert, dann aber doch folgenreich übergangen wurde. Werden Ähnlichkeiten zugunsten von Differenzen und Oppositionen übersehen, so ist dies nicht nur ein erkenntnistheoretisches, sondern vor allem ein politisches Problem. Die Gleichheit vor dem Gesetz und die Ähnlichkeit der Kulturen ergänzen sich und machen deutlich, dass radikale Alterität keine Gegebenheit, sondern eine Frage der Perspektive ist.
Aktualisiert: 2023-06-30
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›Heimat‹ ist ein Konstrukt, ein erinnertes Ideal, das im Hier und Jetzt nicht mehr eingelöst werden kann und daher als Utopie in die Zukunft projiziert wird.
Wie aber sieht es aus, wenn dieses zeitliche Szenario von Heimat verräumlicht und statt in einer unbestimmten Zukunft in einer ganz konkreten Fremde eingelöst werden soll? Dann entstehen auf der Rückseite des Verhältnisses von Fremde und Heimat ebenso merk- wie denkwürdige Modellierungen von Heimat, die insbesondere in der Zeit zwischen 1880 und 1930 prägnant beobachtet werden können. Was im Mutterland nur noch Erinnerung an eine ferne Vergangenheit sein kann, soll in den Kolonien zeitgleich zurückgewonnen werden. Die rückwärtsgewandte Blickrichtung der Heimatkunstbewegung und die vorwärts gerichtete der kolonialen Utopie fallen hier tendenziell zusammen.
Rolf Parr nimmt vor allem drei brisante Konstellationen diskursanalytisch in den Blick: erstens die Südafrika-Begeisterung deutscher Schriftsteller während der Burenkriege (1899 bis 1902). Sie geht einher mit der Idee einer nachgeholten Heimatkunst, in der Südafrika zu einer Art deutschem ›Adoptiv-Vaterland‹ wird.
Zweitens untersucht Parr die koloniale Inbesitznahme von Fremde als Heimat, an der sich die deutsche Kolonialliteratur abarbeitet, und drittens die der Expeditionsreisen in der Zwischenkriegszeit mit ihrer symbolischen Inbesitznahme der Fremde für die Heimat. Letztere ist verknüpft mit einem Denkmodell von Erkundungen der Ferne bei anschließender Rückkehr zur Heimatbasis.
Diese drei Modellierungen von Heimat – einer Heimatkunst ›out-of-area‹, einer Ver-Heimatung der Fremde im Sinne des Kolonialismus und schließlich das Explorations-Modell der Expeditionen – entstehen zwar nacheinander, sind aber spätestens seit den 1910er Jahren parallel zueinander anzutreffen und reichen mit ihren ›Ausläufern‹ bis hinein in die 1950er Jahre: Nun sind Heimat- und Expeditionsfilme zwei der wichtigen Genres im Kino der Nachkriegszeit.
Aktualisiert: 2023-06-30
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›Heimat‹ ist ein Konstrukt, ein erinnertes Ideal, das im Hier und Jetzt nicht mehr eingelöst werden kann und daher als Utopie in die Zukunft projiziert wird.
Wie aber sieht es aus, wenn dieses zeitliche Szenario von Heimat verräumlicht und statt in einer unbestimmten Zukunft in einer ganz konkreten Fremde eingelöst werden soll? Dann entstehen auf der Rückseite des Verhältnisses von Fremde und Heimat ebenso merk- wie denkwürdige Modellierungen von Heimat, die insbesondere in der Zeit zwischen 1880 und 1930 prägnant beobachtet werden können. Was im Mutterland nur noch Erinnerung an eine ferne Vergangenheit sein kann, soll in den Kolonien zeitgleich zurückgewonnen werden. Die rückwärtsgewandte Blickrichtung der Heimatkunstbewegung und die vorwärts gerichtete der kolonialen Utopie fallen hier tendenziell zusammen.
Rolf Parr nimmt vor allem drei brisante Konstellationen diskursanalytisch in den Blick: erstens die Südafrika-Begeisterung deutscher Schriftsteller während der Burenkriege (1899 bis 1902). Sie geht einher mit der Idee einer nachgeholten Heimatkunst, in der Südafrika zu einer Art deutschem ›Adoptiv-Vaterland‹ wird.
Zweitens untersucht Parr die koloniale Inbesitznahme von Fremde als Heimat, an der sich die deutsche Kolonialliteratur abarbeitet, und drittens die der Expeditionsreisen in der Zwischenkriegszeit mit ihrer symbolischen Inbesitznahme der Fremde für die Heimat. Letztere ist verknüpft mit einem Denkmodell von Erkundungen der Ferne bei anschließender Rückkehr zur Heimatbasis.
Diese drei Modellierungen von Heimat – einer Heimatkunst ›out-of-area‹, einer Ver-Heimatung der Fremde im Sinne des Kolonialismus und schließlich das Explorations-Modell der Expeditionen – entstehen zwar nacheinander, sind aber spätestens seit den 1910er Jahren parallel zueinander anzutreffen und reichen mit ihren ›Ausläufern‹ bis hinein in die 1950er Jahre: Nun sind Heimat- und Expeditionsfilme zwei der wichtigen Genres im Kino der Nachkriegszeit.
Aktualisiert: 2023-06-30
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Mit der Frage, warum Menschen ihre Unterwerfung hinnehmen, setzt die kritische Auseinandersetzung mit der Legitimität monarchischer Herrschaft ein. Mit ihr beginnt die Geschichte der Demokratie.
Im 16. Jahrhundert vollzieht sich in Europa nicht nur ein tiefgreifender kultureller und ökonomischer Wandel, sondern es entsteht auch eine neue Form der radikalen Herrschaftskritik. Diese bleibt bis heute aktuell, weil sie sich an einen neuen Adressatenkreis richtet: die Menge der Beherrschten. Der zu Unrecht als Fürstenberater gescholtene Machiavelli wie auch Étienne de La Boétie fragen nach den Gründen von Herrschaft, indem sie die Perspektive des Volkes einnehmen. Beiden geht es nicht mehr um die moralischen Dimensionen guter Herrschaft oder ihre Legitimierung als göttlich eingesetzter. Stattdessen entdecken sie das Volk als Quelle derjenigen Macht, welche die Wenigen über die Vielen herrschen lässt. Indem beide Denker diesen Umstand zugleich als eine Verkehrung der Macht des Volkes in Unfreiheit beschreiben, richten sie das Augenmerk auf diejenigen Prozesse, durch die ein Einzelner über eine große Menge herrschen kann, obwohl die Macht eigentlich in ihrer Hand liegt.
In diesen Prozessen erkennt das Buch von Felix Trautmann das Rätsel der freiwilligen Knechtschaft. Es lässt sich nicht lösen durch eine einfache Schuldzuweisung an das Volk, die die gesellschaftlichen Umstände trivialisieren würde. Im Ausgang von der imaginären Dimension politischer Herrschaft, die weniger mit physischer Stärke oder Gewalt zu tun hat, sondern mit den Wirkungen des Scheins, der Kraft des Versprechens und der Macht der Repräsentation, untersucht die Studie die Bindungskräfte eines Herrschaftsverhältnisses, das die Beherrschten auch dann erzeugen, wenn es sich im Effekt gegen sie selbst richtet. So ergibt sich nicht nur ein anderer Blick auf die Wirkungsweise monarchischer Herrschaft; auch die Emanzipationsbewegungen gegen gewaltsame Unterdrückung, die sich in demokratischen Revolutionen Bahn gebrochen haben, offenbaren ihre eigentümliche Ambivalenz.
Aktualisiert: 2023-06-30
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Mit der Frage, warum Menschen ihre Unterwerfung hinnehmen, setzt die kritische Auseinandersetzung mit der Legitimität monarchischer Herrschaft ein. Mit ihr beginnt die Geschichte der Demokratie.
Im 16. Jahrhundert vollzieht sich in Europa nicht nur ein tiefgreifender kultureller und ökonomischer Wandel, sondern es entsteht auch eine neue Form der radikalen Herrschaftskritik. Diese bleibt bis heute aktuell, weil sie sich an einen neuen Adressatenkreis richtet: die Menge der Beherrschten. Der zu Unrecht als Fürstenberater gescholtene Machiavelli wie auch Étienne de La Boétie fragen nach den Gründen von Herrschaft, indem sie die Perspektive des Volkes einnehmen. Beiden geht es nicht mehr um die moralischen Dimensionen guter Herrschaft oder ihre Legitimierung als göttlich eingesetzter. Stattdessen entdecken sie das Volk als Quelle derjenigen Macht, welche die Wenigen über die Vielen herrschen lässt. Indem beide Denker diesen Umstand zugleich als eine Verkehrung der Macht des Volkes in Unfreiheit beschreiben, richten sie das Augenmerk auf diejenigen Prozesse, durch die ein Einzelner über eine große Menge herrschen kann, obwohl die Macht eigentlich in ihrer Hand liegt.
In diesen Prozessen erkennt das Buch von Felix Trautmann das Rätsel der freiwilligen Knechtschaft. Es lässt sich nicht lösen durch eine einfache Schuldzuweisung an das Volk, die die gesellschaftlichen Umstände trivialisieren würde. Im Ausgang von der imaginären Dimension politischer Herrschaft, die weniger mit physischer Stärke oder Gewalt zu tun hat, sondern mit den Wirkungen des Scheins, der Kraft des Versprechens und der Macht der Repräsentation, untersucht die Studie die Bindungskräfte eines Herrschaftsverhältnisses, das die Beherrschten auch dann erzeugen, wenn es sich im Effekt gegen sie selbst richtet. So ergibt sich nicht nur ein anderer Blick auf die Wirkungsweise monarchischer Herrschaft; auch die Emanzipationsbewegungen gegen gewaltsame Unterdrückung, die sich in demokratischen Revolutionen Bahn gebrochen haben, offenbaren ihre eigentümliche Ambivalenz.
Aktualisiert: 2023-06-30
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Mit der Frage, warum Menschen ihre Unterwerfung hinnehmen, setzt die kritische Auseinandersetzung mit der Legitimität monarchischer Herrschaft ein. Mit ihr beginnt die Geschichte der Demokratie.
Im 16. Jahrhundert vollzieht sich in Europa nicht nur ein tiefgreifender kultureller und ökonomischer Wandel, sondern es entsteht auch eine neue Form der radikalen Herrschaftskritik. Diese bleibt bis heute aktuell, weil sie sich an einen neuen Adressatenkreis richtet: die Menge der Beherrschten. Der zu Unrecht als Fürstenberater gescholtene Machiavelli wie auch Étienne de La Boétie fragen nach den Gründen von Herrschaft, indem sie die Perspektive des Volkes einnehmen. Beiden geht es nicht mehr um die moralischen Dimensionen guter Herrschaft oder ihre Legitimierung als göttlich eingesetzter. Stattdessen entdecken sie das Volk als Quelle derjenigen Macht, welche die Wenigen über die Vielen herrschen lässt. Indem beide Denker diesen Umstand zugleich als eine Verkehrung der Macht des Volkes in Unfreiheit beschreiben, richten sie das Augenmerk auf diejenigen Prozesse, durch die ein Einzelner über eine große Menge herrschen kann, obwohl die Macht eigentlich in ihrer Hand liegt.
In diesen Prozessen erkennt das Buch von Felix Trautmann das Rätsel der freiwilligen Knechtschaft. Es lässt sich nicht lösen durch eine einfache Schuldzuweisung an das Volk, die die gesellschaftlichen Umstände trivialisieren würde. Im Ausgang von der imaginären Dimension politischer Herrschaft, die weniger mit physischer Stärke oder Gewalt zu tun hat, sondern mit den Wirkungen des Scheins, der Kraft des Versprechens und der Macht der Repräsentation, untersucht die Studie die Bindungskräfte eines Herrschaftsverhältnisses, das die Beherrschten auch dann erzeugen, wenn es sich im Effekt gegen sie selbst richtet. So ergibt sich nicht nur ein anderer Blick auf die Wirkungsweise monarchischer Herrschaft; auch die Emanzipationsbewegungen gegen gewaltsame Unterdrückung, die sich in demokratischen Revolutionen Bahn gebrochen haben, offenbaren ihre eigentümliche Ambivalenz.
Aktualisiert: 2023-06-30
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Was macht den Reiz der Gegenstände aus, mit denen wir uns umgeben? Was geschieht mit ihnen, nachdem wir sie in Besitz genommen haben? Und wie verändert sich das Verhältnis zwischen den Dingen und ihren Betrachtern im Laufe der Zeit?
Sie stehen auf unseren Schreibtisch, oder auf den Nachttischchen. Wir hängen sie an die Wand oder tragen sie diskret in der Tasche: die ganz persönlichen Dinge. Egal, ob wir sie Amulett, Talisman oder Erinnerungsstück nennen: Sie begleiten uns überall hin, wo wir länger bleiben. Wir basteln kleine Privataltäre für sie und finden sie schön – aber was heißt das? Und woher kommt der Zauber, den diese ganz persönlichen Gegenstände auf uns ausüben?
Aufheben, Wegwerfen verfolgt die Geschichte unserer Glücksbringer und Souvenirs von den Wohnzimmern des 21. Jahrhundert zurück in die materielle Kultur des Mittelalters mit ihren magischen Steinen, Bildern und Rosenkränzen. In den wohlhabenden Industriegesellschaften der Moderne haben sich auch die persönlichen Besitztümer explosiv vermehrt. Sie füllen unsere Keller, Dachböden und Schränke in einem Ausmaß, dass wir sie manchmal gerne wieder loswerden würden und von einem Leben träumen mit ganz wenigen Dingen, den richtigen, wichtigen. Ökologisch sinnvoller wäre es ohnehin – aber geht das? Ein Essay über die schönen Alltagsdinge, über Magie, schlechtes Gewissen, die Utopie der rabiaten Reduktion und das tägliche Durcheinander.
Aktualisiert: 2023-06-30
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Was macht den Reiz der Gegenstände aus, mit denen wir uns umgeben? Was geschieht mit ihnen, nachdem wir sie in Besitz genommen haben? Und wie verändert sich das Verhältnis zwischen den Dingen und ihren Betrachtern im Laufe der Zeit?
Sie stehen auf unseren Schreibtisch, oder auf den Nachttischchen. Wir hängen sie an die Wand oder tragen sie diskret in der Tasche: die ganz persönlichen Dinge. Egal, ob wir sie Amulett, Talisman oder Erinnerungsstück nennen: Sie begleiten uns überall hin, wo wir länger bleiben. Wir basteln kleine Privataltäre für sie und finden sie schön – aber was heißt das? Und woher kommt der Zauber, den diese ganz persönlichen Gegenstände auf uns ausüben?
Aufheben, Wegwerfen verfolgt die Geschichte unserer Glücksbringer und Souvenirs von den Wohnzimmern des 21. Jahrhundert zurück in die materielle Kultur des Mittelalters mit ihren magischen Steinen, Bildern und Rosenkränzen. In den wohlhabenden Industriegesellschaften der Moderne haben sich auch die persönlichen Besitztümer explosiv vermehrt. Sie füllen unsere Keller, Dachböden und Schränke in einem Ausmaß, dass wir sie manchmal gerne wieder loswerden würden und von einem Leben träumen mit ganz wenigen Dingen, den richtigen, wichtigen. Ökologisch sinnvoller wäre es ohnehin – aber geht das? Ein Essay über die schönen Alltagsdinge, über Magie, schlechtes Gewissen, die Utopie der rabiaten Reduktion und das tägliche Durcheinander.
Aktualisiert: 2023-06-30
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Was macht den Reiz der Gegenstände aus, mit denen wir uns umgeben? Was geschieht mit ihnen, nachdem wir sie in Besitz genommen haben? Und wie verändert sich das Verhältnis zwischen den Dingen und ihren Betrachtern im Laufe der Zeit?
Sie stehen auf unseren Schreibtisch, oder auf den Nachttischchen. Wir hängen sie an die Wand oder tragen sie diskret in der Tasche: die ganz persönlichen Dinge. Egal, ob wir sie Amulett, Talisman oder Erinnerungsstück nennen: Sie begleiten uns überall hin, wo wir länger bleiben. Wir basteln kleine Privataltäre für sie und finden sie schön – aber was heißt das? Und woher kommt der Zauber, den diese ganz persönlichen Gegenstände auf uns ausüben?
Aufheben, Wegwerfen verfolgt die Geschichte unserer Glücksbringer und Souvenirs von den Wohnzimmern des 21. Jahrhundert zurück in die materielle Kultur des Mittelalters mit ihren magischen Steinen, Bildern und Rosenkränzen. In den wohlhabenden Industriegesellschaften der Moderne haben sich auch die persönlichen Besitztümer explosiv vermehrt. Sie füllen unsere Keller, Dachböden und Schränke in einem Ausmaß, dass wir sie manchmal gerne wieder loswerden würden und von einem Leben träumen mit ganz wenigen Dingen, den richtigen, wichtigen. Ökologisch sinnvoller wäre es ohnehin – aber geht das? Ein Essay über die schönen Alltagsdinge, über Magie, schlechtes Gewissen, die Utopie der rabiaten Reduktion und das tägliche Durcheinander.
Aktualisiert: 2023-06-30
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»Die Geschichte des Ehrenduells lässt über die Jahrhunderte hin erkennen, wie sich das ursprünglich exzessiv grausame Ritual, das als mörderisches Reitergefecht mit Säbeln oder Pistolen ausgetragen wurde, allmählich ausdifferenziert und sich gemildert hat, bis es schließlich, im späteren 19. Jahrhundert, als weitgehend unblutige Spielform privater Konfliktbewältigung seine einstige Funktion wie auch sein spektakuläres Faszinosum verlor.« Felix Philipp Ingold untersucht die dem russischen Duell zugrunde liegenden Konventionen aristokratischer und militärischer Ehrenhaftigkeit, aber auch deren Strapazierung durch theatralische Tabubrüche und exzessive Grausamkeit bei der Austragung. Der bewaffnete Ehrenhandel wird in Beziehung gesetzt zur traditionellen russischen Raufkultur, zur Körper-und Todesstrafe sowie zum Suizid. Der Darstellung sind zahlreiche historische Texte zur Rechtslage, zur Kodifizierung und zur literarischen Gestaltung des Duells im einstigen Zarenreich hinzugefügt, die die zentralen Unterschiede zur besser bekannten bürgerlichen Duellkultur eindrucksvoll beleuchten.
Aktualisiert: 2023-06-30
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»Die Geschichte des Ehrenduells lässt über die Jahrhunderte hin erkennen, wie sich das ursprünglich exzessiv grausame Ritual, das als mörderisches Reitergefecht mit Säbeln oder Pistolen ausgetragen wurde, allmählich ausdifferenziert und sich gemildert hat, bis es schließlich, im späteren 19. Jahrhundert, als weitgehend unblutige Spielform privater Konfliktbewältigung seine einstige Funktion wie auch sein spektakuläres Faszinosum verlor.« Felix Philipp Ingold untersucht die dem russischen Duell zugrunde liegenden Konventionen aristokratischer und militärischer Ehrenhaftigkeit, aber auch deren Strapazierung durch theatralische Tabubrüche und exzessive Grausamkeit bei der Austragung. Der bewaffnete Ehrenhandel wird in Beziehung gesetzt zur traditionellen russischen Raufkultur, zur Körper-und Todesstrafe sowie zum Suizid. Der Darstellung sind zahlreiche historische Texte zur Rechtslage, zur Kodifizierung und zur literarischen Gestaltung des Duells im einstigen Zarenreich hinzugefügt, die die zentralen Unterschiede zur besser bekannten bürgerlichen Duellkultur eindrucksvoll beleuchten.
Aktualisiert: 2023-06-30
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