Michael Eckardt: Georg Klaus und die Semiotik
Summary. This issue of Zeitschrift für Semiotik is dedicated to the semiotics of Georg Klaus (1912–1974) on the occasion of his 100th birthday in 2012. Based on selected biographical details, the article describes the importance of his semiotic writings within the broader context of his works and discusses its influence on the development of semiotics in Germany.
Zusammenfassung. Anlässlich des 100. Geburtstages von Georg Klaus steht sein Wirken für die Semiotik im Mittelpunkt dieses Themenheftes. Ausgehend von einigen biographischen Details wird einführend beschrieben, welche Bedeutung der Semiotik innerhalb seines Schaffens zukommt und welchen Einfluss sein Wirken auf die Entwicklung der Semiotik in Deutschland gehabt hat.
Matthias Wille: Die erkenntnistheoretische Isomorphierelation: Kritische Anmerkungen zu Georg Klaus’ Jenenser Promotionsschrift aus dem Jahr 1948
Summary. The article deals with the PhD-thesis Die erkenntnistheoretische Isomorphierelation by Georg Klaus. The content of the thesis is outlined and a critical evaluation is carried out. In the present context the analysis is restricted to Klaus’s concept of isomorphism, his style of historiographic narration, his representational use of formal symbols, and his usage of the notions “realism” as well as “idealism”. The exhibited methodical shortcomings and technical deficiencies impede a final judgment about the systematic innovativeness of the envisaged by Klaus.
Zusammenfassung. Der Beitrag widmet sich der Promotionsschrift Die erkenntnistheoretische Isomorphierelation von Georg Klaus. Nach der Darstellung des Inhalts der Arbeit wird eine kritische Würdigung vollzogen. Sie konzentriert sich auf eine Analyse des von Klaus benutzten Isomorphiebegriffs, seiner Problemgeschichtsschreibung, seiner symbolhaften Darstellung und seiner Gebrauchsweisen der Begriffe „Realismus“ und „Idealismus“. Die dabei aufgewiesenen methodischen Defizite und handwerklichen Mängel erlauben im Ganzen keine aussagekräftige Beurteilung bezüglich der systematischen Originalität des verfolgten Projektes.
Michael Franz: „Der Tod geht uns nichts an“: Antike-Bezüge im philosophischen Werk von Georg Klaus
Summary. Focussed on the fear of death in Epicurus’s ethics, the article discusses Georg Klaus’s reception of ancient Greek and Roman philosophy by analyzing his essay on Lucretius and the relevant chapters of Klaus’s 1964 monograph Die Macht des Wortes.
Zusammenfassung. Fokussiert auf die Todesfurcht im Rahmen der epikureischen Ethik erörtert der Artikel die Aneignung der griechischen und römischen Philosophie durch Georg Klaus anhand einer Analyse seines Lukrez-Essays und maßgeblicher Kapitel seines Buches Die Macht des Wortes.
Manfred Bierwisch: Mathematik, Schach, Kommunismus: Konflikte des Philosophen Georg Klaus
Summary. Since the beginning of his academic career in Jena 1948, Georg Klaus intensively and successfully tried to integrate insights from cybernetics with the doctrines of Dialectical and Historical Materialism. It was primarily due to his efforts, that in the 1960s cybernetics became a respectable discipline in the GDR, in spite of various political prejudices, and was even taken into account in governmental economic planning. When these plans crashed in 1966 in differences with the Soviet leaders, earlier prejudices again led to a campaign against cybernetics. Georg Klaus, who had just extended concepts of cybernetics and game theory to matters of society and its development in general, now demonstrated – not for the first time, but in a particularly vigorous way – his compliance with the doctrine of the party in the book Language of Politics. The acceptance of formulations that should be intellectually unacceptable for a brilliant head such as Klaus is presumably to be explained as expressing the deliberate membership in a strong community of faith. This disposition might be understandable in view of his biography, shaped by concentration camp and traumatic war experiences.
Zusammenfassung. Georg Klaus bemühte sich seit Beginn seiner akademischen Laufbahn 1948 in Jena intensiv und erfolgreich um die Integration von Einsichten der Kybernetik mit den Positionen des Dialektischen und Historischen Materialismus. Es war vor allem sein Verdienst, dass die Kybernetik gegen Ressentiments vor allem politischer Art in den 1960er Jahren offizielle Anerkennung in der DDR fand und sogar in der Theorie realer Wirtschaftsplanung berücksichtigt wurde. Als diese Planungen 1966 an Differenzen mit der sowjetischen Parteiführung scheiterten, lösten die alten Vorurteile erneut eine Kampagne gegen die Kybernetik aus. Georg Klaus, der gerade mit Hilfe der Spieltheorie Konzepte der Kybernetik auf die gesellschaftliche Entwicklung allgemein ausgedehnt hatte, demonstrierte nun in der Abhandlung Sprache der Politik besonders nachdrücklich, aber nicht zum ersten Mal, die eindeutige Einhaltung der Parteiraison. Die Akzeptanz intellektuell unakzeptabler Formulierungen erscheint bei einem brillanten Kopf wie Georg Klaus nur erklärbar als Ausdruck der entschlossenen Zugehörigkeit zu einer festen Glaubensgemeinschaft. Die Disposition dazu wird verständlicher durch die traumatischen Erlebnisse der durch KZ-Aufenthalt und Kriegserfahrung geprägten Biographie.
Johannes Heinrichs: Die Sigmatik als vierte semiotische Dimension bei Georg Klaus – Eine kritische Würdigung
Summary. It is most important that Georg Klaus was fundamentally right in postulating a fourth semiotic dimension, the sigmatic one, in addition to Morris’ three dimensions. But his “materialistic” motivation must be restated in an action-oriented way instead of an object-oriented one. In consequence, the succession and the definitions of the four dimensions must be modified within a logic of action-reflection.
Zusammenfassung. Es ist hoch bedeutsam, dass Georg Klaus in der Hauptsache Recht damit hatte, neben den von Morris benannten drei semiotischen Dimensionen eine vierte, die sigmatische, zu fordern. Allerdings muss seine „materialistische“ Motivation dafür von einer objektgerichteten zu einer vollzugstheoretischen hin präzisiert werden. Dementsprechend sind Reihenfolge und Definitionen der vier semiotischen Dimensionen reflexionslogisch zu korrigieren.
Helmut Metzler: Georg Klaus’ Sprache der Politik als Beitrag zu einer „Angewandten Semiotik“ als Wissenschaft
Summary. Georg Klaus’ Sprache der Politik (English: Language of Politics) combines insights of semiotics with findings of Marxist philosophy, cybernetics, information theory, information psychology, sociology, game theory, communication research and logic to form field which Klaus designates as “studies of political speech”. This amalgamation of separately practised fields of studies leads to a special type of applied semiotics, focussing mainly on agitation (East-German terminology) respectively propaganda (West-German terminology). The development of these considerations in Klaus’s works clearly shows that it has to be regarded as a culmination of his efforts to establish semiotics gradually as an indispensable part of East-Germany’s intellectual discourse within philosophy and related disciplines. Besides the wish to foster “studies of political speech” in the manner sketched by Klaus, the paper proposes to integrate Aristotle’s Topics and its contemporary offsprings into the concept.
Zusammenfassung. Das Werk von Georg Klaus Sprache der Politik verbindet Erkenntnisse aus der Semiotik mit solchen aus der marxistischen Philosophie, der Kybernetik, Informationstheorie, Informationspsychologie, Sozialpsychologie, Soziologie, Spieltheorie, Kommunikationsforschung und Logik zu einem Entwurf einer „Wissenschaft von der politischen Redeweise“. Diese Amalgamierung getrennt betriebener Wissenschaften erzeugt eine spezielle Variante einer Angewandten Semiotik mit dem Hauptaugenmerk auf Agitation (DDR-Sprechweise) bzw. Propaganda (BRD-Sprechweise). Der historische Werdegang dieses Gedankenkomplexes ist eindeutig als Gipfelpunkt einer Reihe von Werken zur schrittweisen Implementierung der Semiotik in den öffentlichen Diskurs der DDR-Philosophie und der einschlägigen Wissenschaften zu verstehen. Abgesehen vom Wunsch des weiteren Ausbaus der „Wissenschaft von der politischen Redeweise“ in den von Klaus berücksichtigten Wissenschaftsdimensionen wird hier ein Vorschlag für die Einbeziehung der Topik aus der Aristotelischen Logik bzw. ihrer modernen Weiterentwicklung unterbreitet.
Michael Eckardt: Normierung der Sprache – Normierung des Denkens? Bemerkungen zur Instrumentalisierung der Sprache bei Georg Klaus
Summary. In Die Macht des Wortes (Englisch: Power of Words), Georg Klaus outlines his ideas on the standardization of speech. From this he draws the conclusion that a standardization of individual thought via speech should be possible and socially desirable. The article focusses on the questionable consequences of this kind of standardizations.
Zusammenfassung. Mit den von Georg Klaus in Die Macht des Wortes dargelegten Gedanken zur Sprachnormierung verband sich für ihn die Vorstellung, im Sinne wünschenswerter gesellschaftlicher Entwicklungen auch auf subjektive Denkgewohnheiten Einfluss nehmen zu können. Welche Schlussfolgerungen sich aus dieser fragwürdigen Art von Sprachinstrumentalisierung für das Denken ziehen lassen, steht im Mittelpunkt dieses Beitrages.
Hans-Christoph Rauh, Berlin: Zur logisch-semiotischen Spezialisierung auf die Erkenntnistheorie bei Georg Klaus
Summary. Georg Klaus played a central role in establishing of epistemology as a philosophical subdiscipline in the GDR. The article tries to trace Klaus’s way to his peculiar logic- and semiotics-oriented understanding of epistemology in its historical context. This treatise is dedicated to Dieter Wittich (1930–2011), Georg Klaus’s most influential student and my academic teacher of philosophy and epistemology in the years 1961–66 at Humboldt-University Berlin (Rauh 2006).
Zusammenfassung. Für die Etablierung der Erkenntnistheorie als philosophischer Teildisziplin spielte Georg Klaus in der DDR eine zentrale Rolle. Die Nachzeichnung des Weges von Georg Klaus zum logisch-semiotisch orientierten Erkenntnistheoretiker und dessen disziplingeschichtlicher Kontext stehen im Mittelpunkt der Ausführungen. Dieser Beitrag ist Dieter Wittich (1930–2011) gewidmet, dem bedeutendsten Schüler von Georg Klaus, der 1961–66 auch mein akademischer Lehrer am Institut für Philosophie der Humboldt-Universität zu Berlin war (Rauh 2006).
Hans-Joachim Dahms: Georg Klaus, der Stegmüller des Ostens?
Summary. The article compares the works of Wolfgang Stegmüller and Georg Klaus and points out, that the development of logic, philosophy of science, semiotics, and cybernetics showed obvious similarities in East- and West-Germany after World War II. It becomes abundantly clear, that both faced similar difficulties, notwithstanding the totally different political context they were working in.
Zusammenfassung. Der vorliegende Beitrag versteht sich als der Versuch, mittels einer Parallelisierung des Schaffens von Wolfgang Stegmüller und Georg Klaus auffällige Gemeinsamkeiten in der Nachkriegsentwicklung der Logik, Wissenschaftstheorie, Semiotik und Kybernetik in beiden deutschen Staaten aufzuzeigen. Dabei wird deutlich, dass die beiden Philosophen trotz unterschiedlichster politischer Rahmenbedingungen auf ähnliche Schwierigkeiten stießen.
Hans-Christian von Herrmann: Theater und Kybernetik
Summary. Manfred Wekwerth’s 1970 dissertation Theater und Wissenschaft conceptually owes very much to the writings of Georg Klaus. It trys to reformulate Bertolt Brecht’s theater aesthetics by means of semiotics and cybernetics. In doing so it uses the terms of “Modell” and “Modellspiel” to describe the ludic character of the theater. What Wekwerth was striving for is a functional description of theater in the context of a socialist planned economy reconditioned by systems theory. More precisely Wekwerth thought of a playful training for an attitude of designing and control by means of the theatrical stage.
Zusammenfassung. Manfred Wekwerths 1970 erschienene Dissertation Theater und Wissenschaft orientiert sich in theoretischer Hinsicht deutlich an den Schriften von Georg Klaus. Sie stellt den Versuch dar, die Theaterästhetik Bertolt Brechts im Horizont von Semiotik und Kybernetik zu reformulieren. Dabei kommt den Begriffen des ‚Modells‘ und des ‚Modellspiels‘ besondere Bedeutung zu, insofern sie dazu geeignet erscheinen, den Spielcharakter des Theaters näher bestimmen. Worauf Wekwerth dabei zielte, ist eine Funktionsbestimmung des Theaters im Rahmen einer systemtheoretisch erneuerten sozialistischen Planwirtschaft. Genauer gesagt dachte Wekwerth an eine spielerische Einübung in ein entwerfendes und regulierendes Weltverhältnis mit den Mitteln der Bühne.
Elisabeth Walther: Georg Klaus zum 100. Geburtstag – Eine Erinnerung
Summary. The following article is a personal remembrance of my study mate Georg Klaus, studying at Jena University in 1947-48. Because he was a well educated and diligent student, he quickly developed strong personal ties to his PhD supervisor Max Bense. Mathematics and logic were their common base for numerous scholarly discussions. Bense had to leave Jena as a result of political pressure, Georg Klaus organized the transportation of the one hundred most important books from Bense’s library in Jena to his new domicile in the Rhineland. In spite of differing political positions, both remained on cordial terms based on personal friendship.
Zusammenfassung. Der folgende Text ist eine persönliche Erinnerung an den Kommilitonen Georg Klaus, der in den Jahren 1947/48 an der Universität Jena studierte. Da er ein gebildeter und sehr interessierter Student war, entwickelte sich rasch eine persönliche Beziehung zwischen ihm und seinem Doktorvater Max Bense. Vor allem mathematische und logische Themen waren die Grundlage für viele gemeinsame Gespräche. Nach der Ende Juli 1948 erfolgten Flucht seines akademischen Lehrers aus Jena in Richtung Westen organisierte Georg Klaus aus dem zurückgelassenen Hausstand Benses u.a. eine Auswahl der 100 wichtigsten Bücher und schickte sie ihm ins Rheinland. Trotz unterschiedlicher politischer Standpunkte wahrten beide stets eine von menschlicher Nähe getragene persönliche Beziehung.
Olaf Weber: Georg Klaus und die Sprache der Architektur: eine Reminiszenz
Summary. In the beginning of the 1970s, the theory of architecture taught in the GDR faced a strong blow of modernization, originating in cybernetics and semiotics and driven by the introduction of concepts like “sign”, “communication”, and “information”. It was due to Georg Klaus’s efforts, that these concepts, based on semiotics, were adopted successfully into the GDR’s theory of architecture.
Zusammenfassung. Zu Beginn der 1970er Jahre gab es in der Architekturtheorie der DDR Bestrebungen, den stark normativen Charakter der darin enthaltenen traditionellen Ästhetik durch die Einführung von aus der Kybernetik, Semiotik und Informationstheorie stammenden Konzepten wie „Zeichen“, „Kommunikation“ oder „Information“ zu modernisieren. Dabei kommt Georg Klaus das Verdienst zu, zur Durchsetzung dieser aus der Semiotik in die Architekturtheorie der DDR übernommenen Ideen maßgeblich beigetragen zu haben.
Michael Eckardt: Kommentiertes Verzeichnis der Schriften von und über Georg Klaus
Summary. The following annotated bibliography contains all recorded works of Georg Klaus. In addition, it includes a chronological sorted selection of secondary sources on his life and works.
Zusammenfassung. Das kommentierte Schriftenverzeichnis von Georg Klaus enthält alle Schriften, die ihm eindeutig zugeordnet werden konnten. Ergänzend wurde eine chronologisch geordnete Auswahl von Beiträgen über Georg Klaus und seine Werke angefügt.