Abschied im Adlon. Die Geschichte von Thea und Carl Sternheim
Monika Melchert
Eine turbulente und aufwühlende Ehegeschichte: Im Berliner Hotel „Adlon“ trennen sich im November 1927 zwei Menschen, die füreinander die Welt bedeuten: Thea und Carl Sternheim.Carl Sternheim (1878–1942) ist einer der meistgespielten Theaterautoren des frühen 20. Jahrhunderts, ein großer Künstler und egozentrischer, beinahe unerträglicher Ehemann, der einen großbürgerlichen Lebensstil pflegt. Sein Komödienzyklus Aus dem bürgerlichen Heldenleben und sein Drama 1913 haben Theatergeschichte geschrieben. Thea Sternheim (1883–1971), zwanzig Jahre mit ihm verheiratet, aber ein Leben lang an ihn gebunden, tritt mit ihrem einzigen Roman Sackgassen erst spät als Autorin hervor. Doch mehr als sechs Jahrzehnte lang führt sie Tagebuch: ein fast 34 000 Seiten umfassendes Kompendium über Kunst und Künstler, die Katastrophen des Zeitalters und ihre Ehe mit Carl Sternheim. Zum Interessantesten dieser Lebensprotokolle gehören die Freundschaften mit bedeutenden Künstlern und Schriftstellern, darunter Walther Rathenau, Gottfried Benn und André Gide, Heinrich Mann, Frans Masereel und Annette Kolb.Thea – empfindsam und hellwach – verlässt die „Gefängniszelle“ Deutschland, noch ehe die Nazis an die Macht kommen. Sie lebt lange in Paris und zuletzt in Basel. Carl, mit dem es nach der Scheidung von Thea nur noch bergab geht, wie sein Verleger Kurt Wolff bekundete, ist von 1930 bis 1934 mit Pamela Wedekind verheiratet und lebt ab 1935 bis zu seinem Tod 1942 in Belgien, während seine Werke im nationalsozialistischen Deutschland verboten werden.Nimmt man die Schicksale ihrer Kinder Dorothea und Klaus Sternheim hinzu, muss man von der Tragödie einer Familie sprechen. Die Tochter wird als Kurierin der Résistance in Frankreich von der Gestapo verhaftet und ins KZ Ravensbrück verschleppt. Der Sohn, der vom Rauschgift nicht loskommt, macht seinem Leben 1946 in Mexiko ein Ende.