Macht und Ohnmacht der Verflechtung
Rom und Bologna unter Paul V.
Nicole Reinhardt
Ob und wie es dem Papst gelang, städtische Eliten mit Mitteln des Klientelismus untertan zu machen, ist die zentrale Frage dieser Studie. Bologna ist dabei ein interessantes Fallbeispiel: diese wirtschaftlich bedeutende Stadt im Kirchenstaat versteht sich bis heute ungebrochen als »freie« Stadt, die sich dem päpstlichen Absolutismus zu entziehen vermochte.
Zur Lösung dieser Frage untersucht die Autorin die Einbindung Bolognas in den Kirchenstaat erstmals mit Methoden der aus der Sozialanthropologie entlehnten Verflechtungsanalyse, die in eine mikropolitische Untersuchung kommunaler Institutionen eingebettet ist. Die Ergebnisse sind überraschend: die zentralistischen Eingriffe der Päpste setzten die Stadt so unter Druck, daß lokale Autonomie allenfalls als politischer Mythos kompensatorisch überlebte. Dies blieb nicht ohne Folgen für die Klientelbeziehungen, welche die Spannung zwischen höfischem Druck, lokalem Traditionsbewußtsein und sozialer Dynamik abbilden.
Die Auswertung von Patenschaftsbeziehungen der städtischen Elite erlaubt eine innovative Anwendung der Verflechtungsanalyse auf empirisch breiter Basis. Diesem erweiterten Grundlagenmaterial sind neue Einsichten in Wesen und Funktion des Klientelismus zu verdanken. Klientelbeziehungen – bislang meist nur »von oben« als Frage der Manipulierbarkeit der Klienten betrachtet – erscheinen hier deutlich als »von unten«, entlang der flexiblen Interessen und Strategien der Klienten geformte Beziehungen. Damit waren der politischen Dienstbarmachung des Klientelismus enge Grenzen gesetzt, wie sich im Kampf zwischen Familieninteressen, kommunalen Bedürfnissen und fürstlichen Ansprüchen immer deutlicher zeigte.
Jenseits des lokalen Bezugsrahmen will die Arbeit durch vergleichende Ausblicke zu einem komplexeren Verständnis der sozialen Mechanismen beitragen, die politische Herrschaft in der Frühen Neuzeit bedingen.