Miltons Urania
Poetik im Spiegel der lesbaren Welten
Martin Windisch
In John Miltons Gedicht „Paradise Lost“, dem vielleicht größten und schwierigsten Text der englischen Literatur, werden am Ende der spät verlaufenden englischen Renaissance noch einmal Kunst, Wissenschaft, Religion und Philosophie wie in einem poetischen Kompendium gebündelt. Die historische Rekonstruktion dieses Einschmelzungsvorganges wird in der vorliegenden Studie im Sinne einer literarischen Ikonologie unternommen, was zu einer grundsätzlichen Neubewertung der englischen Renaissanceliteratur führt; Grundfragen der Frühen Neuzeit werden im Rahmen einer Genealogie der Moderne neu aufgeworfen. Für Martin Windisch schält sich Miltons Musenfigur Urania aus der Sprache und dem Figurenapparat als vexierendes Denkbild und als Emblem für den Selbstbehauptungswillen der Frühen Neuzeit heraus. Einmal auf die Spur gesetzt, erscheint sie am Ende einer Traditionslinie der multiperspektivischen Form anamorphotischer Denkbilder der Selbstbehauptung, die von Shakespeare und Spensers großer Ikone über den mächtigen Leviathan des Thomas Hobbes reicht und noch für die Perspektivität der Leibnizschen Philosophie bestimmend ist. Der interdisziplinäre Zugriff des vorliegenden Buches ermöglicht eine dichte Vernetzung der behandelten Einzelfragen. Sie reichen von der Geschichte des Erhabenen über Probleme der Allegorisierung bis hin zum kunstgeschichtlichen Idea-Konzept im Gefolge Panofskys und zu Grundfragen der frühneuzeitlichen Wissenschafts- und Philosophiegeschichte.