Surrealismus und Wahnsinn
Surrealism and madness
Ingrid von Beyme, Bettina Brand-Claussen, Peter Bürger, Peter Gorsen, Thomas Roeske, Barbara Safarova, Gisela Steinlechner, Unica Zürn
Die Gruppe um André Breton setzte sich anders mit Anstaltskunst auseinander als etwa die deutschen Expressionisten vor dem Ersten Weltkrieg. Neben nationalen Unterschieden in der Auffassung und Behandlung psychischer Krisen sowie im Wissen einzelner Künstler (z.B. André Bretons und Max Ernsts) über Psychiatrie fällt vor allem die Erfahrung des Irrsinns Weltkrieg ins Gewicht, die bei den späteren Surrealisten nicht nur zu einer Politisierung, sondern auch zu einem grundlegenden Infragestellen von Rationalität und Vernunft führte. Wesentlich radikaler als die Expressionisten nahmen sie die fous zum Vorbild und setzten, was sie von deren Denken, Handeln und Schaffen erfassten, systematisch gegen die traditionelle gesellschaftliche Ordnung ein – als deren exemplarische Vertreter ihnen die Psychiater galten. Man hat von einem Missverständnis gesprochen, die Surrealisten hätten ihre Kritik der bestehenden symbolischen Ordnung irrtümlich mit der persönlich erlebten Krise symbolischer Ordnung bei den psychisch Kranken in eins gesetzt. Diese Sicht verkennt eine bewusst ausgehaltene Spannung der Surrealisten zwischen Vernunft und Wahnsinn. Sie wird auch an deren Haltung gegenüber der „Irrenkunst“ deutlich. Diese erste umfassende Ausstellung zu diesem Thema zeigt anhand von vielen Bildbeispielen und Dokumenten – auch die erste Ausstellung mit Werken aus der Prinzhorn-Sammlung in Paris 1928 wird nachgestellt – die vielfältigen Einfluß der Sammlung Prinzhorn auf den Surrealismus.