Fokus Stottern
Vorträge der Fachtagung „Fokus Stottern“ auf dem 41. Kongress der Stotterer-Selbsthilfe vom 02. bis 04.10.2014 in Heidelberg
Tobias Binder, Anke Buschmann, Susanne Cook, Harald A. Euler, Susanne Grebe-Deppe, Sabrina Kempf, Michael Kofort, Noah Kofort, Jürgen Kohler, Anke Kohmäscher, Ragnar Kopka, Katrin Neumann, Robert Richter, Martin Sommer, Andreas Starke, Udo Stier, Mareen Theiling, Julia Unger, Miriam Walther, Berthold Wauligmann, Hartmut Zückner
16 Vorträge auf 6 DVDs mit 16-seitigem Booklet
Seit Gründung der Stotterer-Selbsthilfe in den 1970er Jahren haben sich Selbsthilfe
und Therapie aufeinander zu bewegt. Man hat erkannt, dass Selbsthilfe und Therapie nicht konträr sein müssen, sondern sich gegenseitig ergänzen bzw. unterstützen können.
Diese kontinuierliche Annäherung fand ihren Ausdruck auf dem „41. Kongress Stottern & Selbsthilfe“ mit der Fachtagung „Fokus Stottern“ vom 2. bis 5. Oktober 2014 in Heidelberg.
Zusätzlich zum Treffen von Stotternden mit Arbeitskreisen, Workshops, Mitgliederversammlung und dem obligatorischen „Open Mike“ fanden zahlreiche Vorträge von Therapeuten, Wissenschaftlern und Fachleuten zu den Themen Stottern, Therapie und Selbsthilfe statt.
Insgesamt sechzehn Beiträge wurden aufgezeichnet, bearbeitet und auf sechs DVDs zusammengestellt. Anhand der Referate kann der Einzelne sein Wissen zum Thema Stottern aktualisieren und vertiefen. Darüber hinaus eignen sich die Vorträge zur Präsentation in den Stotterer-Selbsthilfegruppen und bieten Stoff für engagierte Diskussionen auf Gruppenabenden.
Zusammenstellung der DVDs:
DVD 1: Dr. Susanne Cook; Susanne Grebe-Deppe / Prof. Dr. Martin Sommer;
Prof. Dr. Harald Euler
DVD 2: Dr. Anke Kohmäscher; Dr. Jürgen Kohler
DVD 3: Robert Richter; Andreas Starke
DVD 4: Prof. Dr. Katrin Neumann; Hartmut Zückner
DVD 5: Mareen Theiling; Miriam Walther; Berthold Wauligmann
DVD 6: Sabrina Kempf; Berthold Wauligmann; Dr. Julia Unger /Dr. Anke Buschmann/
Dr. Tobias Binder; Dr. Julia Unger / Dr. Anke Buschmann
Inhaltliche Kurzbeschreibungen der Vorträge und Angaben zu den Autoren und Autorinnen
Elemente einer erfolgreichen Stottertherapie
ICF als Wegweiser im Methoden-Dschungel
Dr. Susanne Cook, Stottertherapeutin und Spezialistin für Redeflussstörungen. Sie leitete über viele Jahre die Stotterintensivtherapie im Sommercamp Hessen.
Was macht eine Stottertherapie erfolgreich und wie erkenne ich als Betroffener, als Eltern eines stotternden Kindes oder als Therapeut, welche Therapiemethode die geeignete ist? Eine Hilfestellung bietet die ICF, ein Beschreibungsmodell, welches dem funktionalen Gesundheitszustand einer Person unter Berücksichtigung verschiedener Einflussfaktoren beschreibt. Die ICF ermöglicht so, ein individuelles Therapiekonzept zu erstellen.
Erfolge und Enttäuschungen in der Stottertherapie
Eine Befragung erwachsener Stotternder
Susanne Grebe-Deppe, Organisationsberaterin mit den Schwerpunkten Inklusion
und Selbsthilfeunterstützung. Seit vielen Jahren aktiv in der Bundesvereinigung
Stottern und Selbsthilfe e.V.
Prof. Dr. Martin Sommer, Bundesvorsitzender der „Bundesvereinigung Stottern &
Selbsthilfe e.V.“.Seit 2005 Oberarzt an der Georg-August-Universität in Göttingen, Abteilung für Klinische Neurophysiologie. Im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit hat er unter anderem zum Thema Stottern geforscht
Vorstellung der Ergebnisse einer Fragebogenaktion zum Thema Zufriedenheit und Erfolge in der Stottertherapie von erwachsenen Stotternden. Das Ziel dieser Untersuchung war es, therapeutische Biografien und Therapieerfahrungen in einer Querschnittsuntersuchung zu erfragen, um eine bessere Zahlenbasis für zukünftige Studien und mögliche Projekte zu gewinnen. Im Fokus der Befragung standen Erfahrungen mit unterschiedlichen Therapieansätzen, als auch weiteren Methoden zur Bearbeitung des Stotterns.
Wirksamkeit von Stottertherapien im deutschsprachigen Raum
Prof. Dr. Harald A. Euler ist Evolutionspsychologe und Professor im Ruhestand.
Seine Arbeitsgebiete sind Evolutionäre Psychologie, insbesondere von Familienbeziehungen und Geschlechterunterschieden, Emotionspsychologie, Aggressionsforschung und Stotterforschung.
Die fünf häufigsten Stottertherapien im deutschsprachigen Raum (231 einzelne Therapiefälle) wurden nach ihrer Wirksamkeit anhand eines strukturierten Fragebogens rückschauend bewertet.
Ganz anders oder doch irgendwie gleich?
Wissenschaftliche Erkenntnisse über Unterschiede zwischen
stotternden und nicht-stotternden Menschen
Dr. Anke Kohmäscher, Diplom-Lehrlogopädin und Stottertherapeutin. Sie arbeitet als Hochschuldozentin für Redeflussstörungen im Fachbereich Gesundheit und Soziales an der Hochschule Fresenius in Hamburg.
In diesem Vortrag werden Vorurteile und Laienwissen über Stottern bestehenden
wissenschaftlichen Erkenntnissen gegenübergestellt. Dazu werden Forschungsarbeiten zusammengefasst, die sich mit der Frage befasst haben, ob sich stotternde Menschen in den Bereichen Intelligenz, (nicht-) sprachliche Fähigkeiten, Persönlichkeit und ( Sprech-) Motorik tatsächlich von nicht-stotternden Menschen
unterscheiden.
Normale Sprechunflüssigkeiten oder beginnendes Stottern?
Empirische Überprüfung des Redeflusskompasses
Dr. Jürgen Kohler, 1988 Logopädie Examen in Heidelberg mit anschließender
berufspraktischer Tätigkeit. Seit 2002 Dozent an der Hochschule für Heilpädagogik in
Zürich, unter anderem mit dem inhaltlichen Schwerpunkt Redeflussstörungen.
Der Redeflusskompass ist ein Instrument, das eine Entscheidungshilfe für weiterführende Maßnahmen bei beginnendem Stottern ist. Durch die Erfassung von Diagnostik- und Beratungstätigkeit gelang die Bestimmung von Sensitivität, Spezifität und Kriteriumsvalidität. Videoaufnahmen von sprech-unflüssigen Kindern führten zu einer weiteren Differenzierung der Gütekriterien. Die Integration aller erhobenen Daten lieferte die Grundlage für weiterführende Entscheidungen bei Verdacht auf beginnendes Stottern.
Hintergründe und Folgen von Hochstressreaktionen im schweren
stotter bedingten Kontrollverlust
Robert Richter, Logopäde und zertifizierter Stottertherapeut (ivs), arbeitet seit
mehreren Jahren intensiv auf dem Gebiet der Stottertherapie; Lehrtätigkeit zum Thema Redeflussstörungen in Leipzig, Beraterausbildung im Bereich Psychotraumatologie.
Eigene Beobachtungen in der Stottertherapie nach dem non-avoidance-Konzept
zeigen, dass einige Patienten mit einer schweren Stottersymptomatik Hochstress-
Symptome zeigen. Obwohl der Zusammenhang zwischen Stressreaktion
und Stottern noch unzureichend erklärt ist und die Entstehung des Stotterns
momentan kaum als Folge einer Traumatisierung angesehen wird, stellt sich die
Frage, ob der schwerwiegende und wiederholt eintretende Kontrollverlust zu einer
kumulativen traumarelevanten Hochstresserfahrung führen kann.
Kahneman meets Van Riper
System 1 / System 2 nach Kahneman und die Therapie des Stotterns
Andreas Starke, Mitbegründer der Stotterer-Selbsthilfe in Deutschland. Studium der
Sprech- und Sprachpathologie in den USA. Er arbeitet als Logopäde und führt seit
1987 Gruppentherapien für stotternde Jugendliche und Erwachsene durch.
Der Vorschlag von Daniel Kahneman, mentale Leistungen des Menschen in
zwei Klassen einzuteilen (System 1: schnell, unbewusst, intuitiv, automatisch /
System 2: langsam, bewusst, überlegt, willentlich) bietet neue Möglichkeiten für
den Entwurf einer Therapie des Stotterns. Der Vortrag befasst sich damit, ob man
das von Van Riper formulierte Therapieprogramm in diesen Bezugsrahmen stellen
kann, um so die nach Kahneman mögliche Deutung des Therapieproblems zu
vervollständigen.
Identifikation von Stottern im Vorschulalter
Prof. Dr. Katrin Neumann ist Fachärztin für Sprach-, Stimm- und kindliche
Hörstörungen. Sie arbeitet als Leitende Ärztin der Abteilung für Phoniatrie und
Pädaudiologie, des Hörkompetenzzentrums und des CI-Zentrums Ruhrgebiet am
St. Elisabeth-Hospital der Ruhr-Universität Bochum.
Bislang existieren Siebtests für kindliches Stottern nur für Risiko-Kinder. Es wäre
aber wünschenswert, in flächendeckend durchgeführte Sprachuntersuchungen
ein Screening auf Stottern zu implementieren, damit alle Kinder erfasst werden,
denn die Heilungschancen sind in der Kindheit am größten. Im Auftrag der
BVSS wurde ein Set von Instrumenten für ein solches Screening entwickelt und
an Kindern erprobt.
Methoden der kognitiven Umstrukturierung
Desensibilisierungsinterventionen in der Stottertherapie
Hartmut Zückner ist Lehrlogopäde an der Lehranstalt in Aachen und Lehrbeauftragter für Redeflussstörungen an der RWTH Aachen. Er behandelt stotternde Patienten in ambulanter Einzel- und Gruppentherapie nach dem IMS-Therapiekonzept.
Wie kann es von therapeutischer Seite aus gelingen, die mit dem Stottern
auftretenden negativen Gefühle positiv zu verändern? Neben dem Verfahren der
kognitiven Umstrukturierung werden Interventionen anderer (psycho-) therapeutischer bzw. beratender Verfahren (systemische Interventionen, acceptance & commitment-Therapie, …) dargestellt. und in ihrem Wert für die Stottertherapie
mit erwachsenen Stotternden diskutiert.
Öffentliche Wahrnehmung von Stotternden in Deutschland
Mareen Theiling, Ausbildung zur Logopädin und anschließendes Studium der
Logopädie an der RWTH Aachen. Sie arbeitet als Therapeutin und ist seit 2013 Dozentin an der Döpfer-Schule in Köln im Störungsgebiet Stottern.
Zahlreiche internationale Studien konnten zeigen, dass stotternde Menschen in der Gesellschaft häufig negativ beurteilt werden. Ziel des Projekts war, das Vorhandensein stotterstereotyper Vorurteile innerhalb der deutschen Bevölkerung zu
überprüfen.
Junge Selbsthilfe
Miriam Walther, Dipl. Politologin, sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der NAKOS (Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen) in Berlin. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind: „Junge Menschen in der Selbsthilfe“ und „Selbsthilfe im Internet“.
Die NAKOS hat 2013 junge Menschen in ausgewählten Studien- und Ausbildungsgängen zu ihrem Wissen über die gemeinschaftliche Selbsthilfe befragt. Ziel war es, Informationen zu gewinnen hinsichtlich des vorhandenen Wissens über gemeinschaftliche Selbsthilfe, über vorhandene Erfahrungen, Meinungen, Klischees
und Vorurteile. Zudem sollten Hinweise gesammelt werden, wie Selbsthilfeangebote
für die Zielgruppe junge Erwachsene ausgestaltet sein sollten.
Einführung in die Naturmethode
Berthold Wauligmann, seit mehr als 30 Jahren in der Stotterer-Selbsthilfe aktiv. Er ist Autor des Films „Leichter Sprechen und sich wohler fühlen. Praktische Hilfen für Stotternde“. Seit 1983 führt er regelmäßig Seminare auf Landes- und Bundesebene für Stotternde durch.
Bei der Naturmethode geht es darum, sich ein neues Sprechen anzugewöhnen. Das gezielte Reduzieren des Sprechtempos sowie das richtige Atmen ermöglichen dem Stotternden auf natürliche Art und Weise, Ruhe ins Sprechen zu bringen. Da die Gedanken beim Stottern eine wichtige Rolle spielen, werden diese durch Mentales Training beeinflusst.
Die subjektive Sichtweise auf Stottern und Selbsthilfe
Sabrina Kempf, akademische Sprachtherapeutin in einer logopädischen Praxis; seit 2011 Dozentin im Studiengang Logopädie Bachelor an der Hochschule Fresenius in Idstein mit den Lehrschwerpunkten Redeflussstörungen und Stimmstörungen.
Im Rahmen einer Masterthesis wurde das Ziel verfolgt, Möglichkeiten und Grenzen der SHG-Arbeit für stotternde Erwachsene zu erfassen und diese in Bezug zu den bestehenden Forschungsergebnissen der gesundheitsbezogenen Selbsthilfe zu setzen. Damit sollen Anhaltspunkte zur Ausdifferenzierung der Sichtweise auf das Phänomen der Selbsthilfe bei Stottern offengelegt und mögliche Anknüpfungspunkte für die Zusammenarbeit von SHG und Therapeuten präsentiert werden.
Unterstützung einer Stottertherapie durch eine Selbsthilfegruppe
Berthold Wauligmann (siehe oben)
Die Selbsthilfegruppe ist ein Schonraum, in dem sich Stotternde wohlfühlen und sich gegenseitig Mut machen. Sie bietet gute Gelegenheiten, um neues Verhalten auszuprobieren und unterstützt damit gleichzeitig den Therapieerfolg.
Forschungsergebnisse zur Effektivität von Selbsthilfegruppen für Menschen, die stottern
Dr. Julia Unger, Studium der Logopädie und Promotion im Fachgebiet angewandte
Sprachwissenschaften. Seit 2013 ist sie als Assistant Professor in Albany, N.Y., U.S.A. für die wissenschaftliche und klinische Leitung des Fachbereichs Redeflussstörungen zuständig.
Dr. Anke Buschmann, Studium der Psychologie, mehrjährige klinisch psychologische und wissenschaftliche Tätigkeit in einem Sozialpädiatrischen Zentrum. Von 2010 bis 2012 vertrat sie eine Professur für Entwicklungspsychologie mit Schwerpunkt Sprache an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg.
Dr. Tobias Binder, studierte in Heidelberg Physik und promovierte im Jahr 2014. Seit 2012 ist er im Vorstand des Landesverbandes „Stottern & Selbsthilfe Baden- Württemberg e.V.“ tätig. Er hat die vorliegende Studie gemeinsam mit Julia Unger und Anke Buschmann durchgeführt.
Seit den späten 1980er Jahren findet man wissenschaftliche Publikationen zum Thema Stotterer-Selbsthilfegruppen. Die aktuelle Datenlage weist einige interessante Trends, Zwiespälte und noch offenstehende Lücken bezüglich der therapeutischen Relevanz von Selbsthilfe im Bereich des chronischen Stotterns auf. Aufgrund der immer noch schlechten Forschungslage zur therapeutischen Relevanz von Selbsthilfe in der Behandlung des chronischen Stotterns wird im Rahmen dieses Vortrages auch auf eine Möglichkeit verwiesen, durch die sich BVSS-Mitglieder selbst an der aktuellen Forschung beteiligen können.
Die Bedeutung der Selbsthilfe in der Erreichung und Langlebigkeit
von persönlichen Therapieergebnissen
Dr. Julia Unger / Dr. Anke Buschmann (siehe oben)
Dieser Vortrag stellt eine internationale Vergleichsstudie vor, die den Einfluss der Stotterer-Selbsthilfe auf die Formulierung und Umsetzung von therapeutischen Zielen untersucht. Hierbei soll vor allem untersucht werden, ob die Teilnahme in der Selbsthilfe einen positiven Einfluss auf die Beurteilung und Selbstautonomie von Betroffenen bezüglich sprachtherapeutischer Behandlungen mit sich zieht. Seit Gründung der Stotterer-Selbsthilfe in den 1970er Jahren haben sich Selbsthilfe und Therapie aufeinander zu bewegt. Man hat erkannt, dass Selbsthilfe und Therapie nicht konträr sein müssen, sondern sich gegenseitig ergänzen bzw. unterstützen können.