Das polymorphe Joch
Servile Denk- und Handlungsfiguren in nachrömischer Zeit
Ludolf Kuchenbuch
Revision der Debatte über das Ende bzw. die Transformation der nachantiken Sklaverei auf breiter Zeugnisbasis und Forschung mithilfe semantischer Methoden.
Unfreiheit, Leibeigenschaft, Hörigkeit, Sklaverei, Knechtschaft (und ihre Äquivalente in anderen Sprachen) sind seit ihrem Aufkommen nicht nur wirkmächtige Fahnenwörter im modernen Freiheitsdiskurs gewesen und bis heute geblieben, sondern auch Schlüsselbegriffe der sozialhistorischen Forschung und Darstellung über die Vormoderne. Im Zuge der endlosen Debatten um ihre Angemessenheit und Reichweite ist immer wieder betont worden, dass sie, wie abstrakte Deckadressen, dem besseren Verständnis der sachlich und regional extrem unterschiedlichen Abhängigkeiten, Daseinsbeschränkungen und Herabsetzungen sowie deren Ursachen im Wege stünden.
Ludolf Kuchenbuch nimmt diesen Einwand ernst und versucht eine neuartige Lösung. Es geht ihm um die Aufdeckung zeitgenössischer serviler Ausdruckskonventionen durch semantische Analysen (Leitnomina, Wortfelder, Syntagmen, Standardsätze). Langjährige eigene Forschung zur Servilität weiterführend, untersucht er exemplarisch Dokumente verschiedener Gattungen aus dem fränkischen Kernraum und ergänzt diese Ergebnisse durch einschlägige Regionalstudien. So entsteht ein Panorama serviler Regime im poströmischen Lateineuropa, und ebenso zeichnen sich Metamorphosen ab, die den künftigen Regionalismus (und Lokalismus) herrschaftlicher Bindungen und Lösungen prägen, das Auf und Ab der Servilitäten mitbestimmen. Insgesamt entsteht das enorm variable und bewegliche Profil einer realitätsnahen servilen »Sprache« unterhalb der zentralperspektivischen Abstraktionen der bisherigen Forschung.